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 Theurgie erklärt

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Lucky77

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Theurgie erklärt Empty
BeitragThema: Theurgie erklärt   Theurgie erklärt EmptyDo Nov 15, 2012 9:34 pm

Theurgie



Theurgie (griechisch θεουργία theourgía „Gotteswerk“) ist eine antike
Bezeichnung für religiöse Riten und Praktiken, die es ermöglichen
sollten, mit göttlichen Wesen in Verbindung zu treten und von ihnen
Hilfe zu erlangen. Der Ausübende wird „Theurg“ genannt. Nach der
gängigen Auffassung der antiken Theurgen wurde nicht versucht, die
erwünschte Reaktion der Götter mit magischen Mitteln zu erzwingen,
sondern es ging um ein Zusammenwirken von Gott und Mensch, bei dem sich
der Theurg göttlichem Einfluss öffnete.

Das Konzept der Theurgie entstand in der römischen Kaiserzeit. Seine Hauptbefürworter waren spätantike Neuplatoniker,
doch stieß der Gedanke eines rituellen Zusammenwirkens mit den Göttern
unter den neuplatonischen Philosophen auch auf grundsätzliche Ablehnung.

Der stark vom Neuplatonismus beeinflusste spätantike Theologe Pseudo-Dionysius Areopagita übernahm den Begriff „Theurgie“ in die christliche Theologie.


Begriffsbestimmung


Die Begriffe „Theurgie“ und „Theurg“ wurden frühestens im 2.
Jahrhundert geprägt, gängig waren sie ab dem späten 3. Jahrhundert. Das
Wort theourgia wurde aus den Bestandteilen theo- (von theós „Gott“) und -ourgía (von érgon
„Werk“) zusammengesetzt. Gemeint ist mit dem „Gotteswerk“ – im
Gegensatz zur Theologie als philosophischer Theorie – die praktische,
rituelle Seite des Verhältnisses zwischen den theurgisch orientierten
Philosophen und den von ihnen verehrten Göttern. Die in der älteren
Forschung vertretene Interpretation, es handle sich etymologisch
und sachlich um einen vom Menschen auf die Götter ausgeübten Zwang,
wird heute überwiegend abgelehnt; nur vereinzelte Belege zeigen, dass
einige Theurgen so dachten.[1] Das „Werk“ ist sowohl das Handeln des Theurgen als auch der Akt des darauf reagierenden Gottes.

In der Spätantike verstand man unter Theurgie in erster Linie die Ausführung der einschlägigen Instruktionen der Chaldäischen Orakel,
einer religiösen Lehrdichtung in griechischer Sprache, die Anweisungen
für die theurgische Praxis gibt. Auch die dort dargelegte theologische
und kosmologische Lehre, die theoretische Basis der theurgischen Praxis,
gehörte dazu. Die Chaldäischen Orakel, die meist kurz als „die Sprüche“
bezeichnet wurden, waren bei den Neuplatonikern sehr angesehen. Man
glaubte, dass sie ein göttliches Offenbarungswissen enthalten. Daneben
wurden auch Elemente des traditionellen öffentlichen Kultes und
Vorstellungen ägyptischer Herkunft in den Theurgiebegriff integriert.[2]

In der modernen Religionswissenschaft werden mitunter auch Praktiken außerhalb des antiken Kontextes, die an die antike Theurgie erinnern, als Theurgie bezeichnet.[3]

Begründung


Alle Neuplatoniker stimmten überein, dass die Aufgabe des Philosophen
darin bestehe, sich von der materiellen Welt zu emanzipieren und der intelligiblen (rein geistigen) Welt der platonischen Ideen
zuzuwenden. Zur Erreichung dieses Ziels hatte sich der Philosoph von
hinderlichen Orientierungen zu befreien. Er sollte sich von niederen
Begierden reinigen und sein ganzes Leben konsequent auf das spirituelle
Ziel ausrichten. Diesem Zweck diente eine philosophische Lebensweise im
Sinne der platonischen Tradition. Angestrebt wurde die Erlösung der Seele von ihrem irdischen Dasein und ihr Aufstieg in die geistige Welt, die ihre wahre Heimat sei.

Unterschiedlicher Meinung waren die Neuplatoniker jedoch über den
Weg, der zu diesem Ziel führen sollte. Es lassen sich zwei
Hauptrichtungen unterscheiden: eine rein philosophische, die auf
theurgische Rituale verzichtete, und eine kultisch orientierte, die von
der Unentbehrlichkeit theurgischer Praktiken ausging. Der profilierteste
Repräsentant der rein philosophischen Richtung war Plotin, der Begründer des Neuplatonismus. Die theoretische Basis der theurgischen Richtung schuf Iamblichos.

Der Standpunkt der rein philosophischen Richtung lautete, dass die
Erlösung der Seele aus ihrer Not in der materiellen Welt eine
Selbsterlösung sei. Dazu sei die Seele dank ihrer unverlierbaren
göttlichen Natur von sich aus befähigt. Es liege in ihrer Macht, sich
von ihrer zeitweiligen Unwissenheit und deren Folgen zu befreien. Trotz
ihres Abstiegs in die Körperwelt habe sie den Kontakt mit ihrer
geistigen Heimat niemals völlig verloren. Plotin meinte sogar, die Seele
steige nie ganz herab. Ihr oberster Teil bleibe auch während ihrer
Verbindung mit dem Körper immer in der geistigen Welt und dadurch habe
sie ständig Anteil an deren ganzer Fülle, auch wenn ihr verkörperter
Teil Unheil erleidet.[4]
Daher braucht man nach dieser Lehre keine Hilfe in der Außenwelt zu
suchen. Vielmehr genügt es, eine philosophische Lebensweise zu
praktizieren und die Aufmerksamkeit stets kontemplativ auf das Höhere zu
richten. Rituale werden mit materiellen Objekten durchgeführt, daher
können sie keine geistige Befreiung bewirken. Der Weg zur Freiheit führt
über die Selbsterkenntnis der Seele.

Gegen diese Sichtweise wandten sich die Anhänger der Theurgie, deren
Position Iamblichos begründete. Iamblichos hielt eine Erlösung der Seele
aus eigener Kraft, nur durch ihre Tugend und Einsichtsfähigkeit, für
unmöglich. Er ging von einer grundsätzlichen Wesensverschiedenheit von
Göttern und menschlichen Seelen aus. Daher könne sich die Seele nicht
selbst erlösen. Plotins Lehre, der oberste Seelenteil bleibe in
ständiger Gemeinschaft mit dem göttlichen Bereich, lehnte Iamblichos ab.
Er argumentierte, dass diese Behauptung nicht zutreffen könne, da sonst
alle Menschen unablässig glücklich wären. Die Philosophen, die der
theurgischen Richtung folgten, schätzten die Fähigkeiten der Seele
relativ pessimistisch ein. Sie meinten, die Seele sei in ihrer
Gesamtheit in der materiellen Welt gefangen und könne sich ohne Hilfe
von außen nicht befreien. Daher sei der Mensch auf die Unterstützung
höherer Mächte angewiesen. Diese könne erlangt werden, indem man sich
theurgisch mit den Göttern verbinde. Die Rituale seien zwar materielle
Handlungen, doch wirke auch im materiellen Bereich heilbringende
göttliche Kraft. Die Wirkung der Rituale auf die Seele sei therapeutisch
und die Theurgie sei der Weg, den die Götter den Menschen gezeigt
hätten, um sie zu heilen und zu retten.[5]
Für Iamblichos wird auf der höchsten Stufe der Theurgie eine Verehrung
der Götter ohne materielle Riten und Opfergaben möglich. Der materielle
Kult ist somit nur eine Vorstufe des immateriellen.[6]

Lehre und Praxis


Die in den Chaldäischen Orakeln dargelegten Grundsätze und Methoden der Theurgie setzen eine platonische Ontologie und Kosmologie voraus.[7]
In diesem Weltbild kommt der Materie der niedrigste Rang zu, sie bildet
den unvollkommensten Bereich der Welt. Zuoberst steht der transzendente höchste Gott, der in theurgischen Texten oft Vater genannt und metaphorisch als Feuer bezeichnet wird. Er ist die Quelle von Emanationen,
die als feurig oder lichtartig beschrieben werden und für die
theurgischen Bestrebungen hilfreich sind. Die aus theurgischer Sicht
bedeutsamste Emanation ist die Weltseele, die aus dem Nous (Intellekt) des Vaters hervorgeht. Sie ist das belebende Prinzip des Kosmos. Ihr entspricht in der Mythologie die Göttin Hekate,
die im theurgischen Kult eine zentrale Rolle spielt. Sie vermittelt
zwischen dem Reich der Götter und der Welt der Menschen, indem sie den
Sterblichen göttliche Wohltaten zukommen lässt und den Aufstieg der
Seelen ins himmlische Reich ermöglicht. Ihr verdanken die Menschen die
Kenntnis vieler theurgischer Rituale. Als Erlöserin verhilft Hekate dem
Theurgen zur Erreichung seines Ziels.[8]

Die theurgische Praxis umfasste neben Reinigungen und Einweihungen
Rituale, die dem Theurgen die Begegnung mit einer Gottheit ermöglichen
sollten. Die Götter konnten dem Theurgen, der sich an sie wandte, in
einer körperlichen Gestalt erscheinen. Zur Vorbereitung ließ der Theurg
meist göttliches Licht in sich einströmen. Äußerlich geschah dies
beispielsweise durch rituelles Einatmen von Sonnenlicht, denn das
Sonnenlicht galt als Manifestation des göttlichen Lichts auf der Ebene
des sinnlich Wahrnehmbaren. Wichtig waren die Anrufungen der Götter mit
ihren wahren, geheimen Namen. Dank seiner Kenntnis der wahren Namen
erhielt der Theurg Zugang zu den Namensträgern, denn man glaubte, dass
im Namen das Wesen des Benannten enthalten sei. Daher durften die
„barbarischen“ (nichtgriechischen) Götternamen nicht übersetzt werden.[9] Auch das göttliche Licht wurde angerufen.[10]
Die Theurgen setzten auch Symbole ein, die sie für göttlich und zur
Vermittlung zwischen Göttern und Menschen geeignet hielten. Die Symbole
sollten den Kontakt zu den Instanzen ermöglichen, deren Repräsentanten
auf der materiellen Ebene sie waren. Außerdem galten Trancebotschaften, die im Rahmen der theurgischen Praxis empfangen wurden, als Mitteilungen der Götter.

Aus der Sicht der Theurgen waren theurgische Akte keine mechanischen
Vorgänge, die unabhängig von der Würdigkeit und Absicht des Ausführenden
ausgelöst werden konnten und wie nach einem Naturgesetz ex opere operato
Wirkung zeigten. Vielmehr handelte es sich in jedem Fall um einen
göttlichen Gnadenerweis, der nur einem Würdigen zuteil werden konnte.[11]
Allerdings gibt es Belege für die Meinung, der Gott könne sich dem
Wunsch des Theurgen nicht willkürlich entziehen, sondern handle
zwangsläufig, falls die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.[12]

Der Theurg erlangte durch seine kultische Betätigung, die er mit
einer philosophischen Lebensweise verband, die Reinigung von den üblen
Leidenschaften, welche die Materie im Menschen verursacht, und Befreiung
vom Schicksalszwang (heimarménē),
dem menschliches Leben ansonsten unterliegt. Dank der Gnade der
Gottheit qualifizierte er sich zum Aufstieg in ein himmlisches Reich
nach dem Tod seines Körpers. Er konnte aber darauf verzichten und sich
dafür entscheiden, weiterhin im irdischen Bereich zu verbleiben, um sich
dort für das Erlösungswerk einzusetzen.[13]

Geschichte


Zweites und drittes Jahrhundert


Als ursprüngliche Übermittler der von Gottheiten geoffenbarten
theurgischen Verfahren galten zwei legendenumwobene Gestalten des 2.
Jahrhunderts, Julian der Chaldäer und sein Sohn Julian der Theurg, der unter Kaiser Mark Aurel
(† 180) gelebt und als Wundertäter gewirkt haben soll. Ihnen oder einem
von ihnen soll die Aufzeichnung der Chaldäischen Orakel zu verdanken
sein. Das heute nur in Fragmenten vorliegende Orakelbuch kann
tatsächlich in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts entstanden sein.
Julian der Theurg und sein Vater sind aber möglicherweise erfundene
Gestalten, denn in der Zeit vor dem späten dritten Jahrhundert sind in
den Quellen keine Hinweise auf ihre Existenz zu finden.[14] Falls die überlieferte Zuschreibung falsch ist, sind die Orakel vielleicht ins 3. Jahrhundert zu datieren.[15]

Als der Neuplatonismus entstand und sich ab 244 in Rom ausbreitete,
stieß die theurgische Denkweise anfangs im neuplatonischen Milieu auf
Ablehnung. Plotin († 270), der Begründer der neuen Richtung, lehrte die
Selbsterlösung und unterließ aus grundsätzlichen Erwägungen alle
Versuche, mit kultischen Mitteln göttliche Hilfe zu erlangen. An
rituellen Opfern und Kultfesten nahm er nicht teil. Dies begründete er
mit den Worten: „Jene (die Götter) müssen zu mir kommen, nicht ich zu
ihnen.“[16] Plotins namhafteste Schüler Porphyrios und Amelios Gentilianos
hingegen nahmen eine positivere Haltung zur kultischen Verbindung mit
den Göttern ein. Amelios war ein eifriger Opferer und Besucher der
Gottesdienste und Feste, Porphyrios setzte sich mit den Chaldäischen
Orakeln auseinander und verfasste mindestens eine Schrift über dieses
Thema, die nicht erhalten geblieben ist. Porphyrios teilte Plotins
Auffassung, kultische Riten seien kein Erlösungsweg und ein Philosoph
sei nicht auf solche Mittel angewiesen, denn es komme nur auf die Tugend
und Selbsterkenntnis der Seele an. Er räumte aber ein, dass Theurgie
bei unphilosophischen Menschen eine heilsame Wirkung entfalte.[17]

Spätantike


Porphyrios' Schüler und philosophischer Widersacher Iamblichos († um
320/325) erhob die Theurgie zu einem zentralen Bestandteil seiner Lehre
und religiösen Praxis.[18]
Sie sei nicht, wie Porphyrios glaubte, fürs unphilosophische Volk
bestimmt, sondern stehe noch über der Philosophie und sei nur wenigen
besonders Qualifizierten vorbehalten. Tugendhaftigkeit sei für den
Theurgen unerlässlich, da die Götter nur mit guten Menschen Gemeinschaft
hielten. Eine philosophische Ausbildung sei zwar als Vorstufe
notwendig, zur Erlösung führe aber nur die Theurgie.[19] Scharf grenzte Iamblichos die Theurgie von der Magie ab. Die Magie oder Zauberei (goēteía) verwarf er, da sie das Göttliche verfehle und Trugbilder erzeuge. Überdies seien die Magier schlechte, gottlose Menschen.[20]
Zu den übermenschlichen Wesen, mit denen der Theurg Umgang pflegen
kann, zählte Iamblichos nicht nur die Götter, die der Seele des
Anrufenden den göttlichen Eros und Kraft (dýnamis) verleihen, sondern auch Engel, gutartige Dämonen und „Kosmosherrscher“.[21]

Die Auffassung des Iamblichos setzte sich in der Folgezeit weitgehend
durch, sie bildete den Ausgangspunkt der weiteren Entwicklung bei den
religiös orientierten Philosophen. Die meisten spätantiken Neuplatoniker
bekannten sich zur Theurgie. Zu den namhaften neuplatonischen Theurgen
des 4. Jahrhunderts zählten Chrysanthios von Sardes, Sosipatra[22] und Maximos von Ephesos.
Maximos vertrat mit seiner Einschätzung der Rolle des Theurgen eine
andere Position als die meisten Neuplatoniker. Für ihn war der
theurgische Ritus nicht nur eine Vorbereitung des Menschen auf
göttliches Einwirken, sondern auch ein Instrument, mit dem der Theurg
zwangsläufig die Götter veranlassen kann, ihm ihre Gunst zuzuwenden,
auch wenn sie dies ursprünglich nicht wollten. Mit seiner äußerst
selbstsicheren Haltung, die ihm als Arroganz angekreidet wurde, erregte
Maximos in Philosophenkreisen Anstoß.

Auf entschiedenen Widerspruch stieß das Theurgiekonzept des Maximos bei Eusebios von Myndos, der zu seinen Studienkollegen zählte und in Pergamon
neuplatonische Philosophie unterrichtete. Eusebios war wie Plotin der
Überzeugung, die Befreiung der Seele sei nicht durch äußerliche
Handlungen im Rahmen der Kultpraxis zu erreichen, sondern nur durch eine
rein geistige Reinigung mittels der Vernunft. Er meinte, die Wirkungen
der Theurgie seien nicht göttlichen Ursprungs, sondern durch materielle
Kräfte erzeugte Sinnestäuschungen. Es handle sich um einen Irrweg, der
in den Wahnsinn führe. Man solle statt dessen auf die Fähigkeit der
Seele zur Selbsterlösung durch philosophische Erkenntnis vertrauen.
Eusebios warnte den künftigen Kaiser Julian,
der bei ihm studierte, vor Maximos. Damit erreichte er jedoch das
Gegenteil: Julian, der von der Theurgie fasziniert war, brach seine
Ausbildung in Pergamon ab und begab sich nach Ephesos zu Maximos, dessen Richtung er sich anschloss.[23] Zwischen dem Theurgen und dem künftigen Kaiser entstand eine enge Freundschaft.

Julian, der von 360 bis 363 regierte, bekannte sich zu den
traditionellen Göttern und versuchte das Christentum zurückzudrängen,
wobei er sich auf neuplatonisches und theurgisches Gedankengut stützte.
In seiner persönlichen Religiosität spielte die Theurgie in der
Variante, die ihm Maximos vermittelt hatte, eine wichtige Rolle.[24] Julian glaubte, dass die jüdischen Erzväter Abraham, Isaak und Jakob sowie König Salomo Theurgen gewesen seien.[25]

Nach Julians Tod setzte sich das Christentum endgültig durch. Die Christen betrachteten die pagane Theurgie als Götzenkult. Der Kirchenvater Augustinus
glaubte, es seien dabei Dämonen am Werk. Daher wurde die Theurgie im
Verlauf der Christianisierung des Römischen Reichs zunehmend
marginalisiert und schließlich ausgerottet.[26]

Eine von den christlichen Kaisern lange geduldete pagane Nische war die neuplatonische Philosophenschule von Athen,
die erst im frühen 6. Jahrhundert geschlossen wurde. In ihr stand die
Theurgie bis zuletzt in hohem Ansehen. Der berühmte Denker Proklos († 485), der diese Schule fast ein halbes Jahrhundert lang als Scholarch
(Schuloberhaupt) leitete, verband intensive philosophische Arbeit mit
hingebungsvoller theurgischer Praxis. Großen Wert legte er auf die
rituellen Reinigungen. Er hielt die Theurgie (womit er deren höchste
Stufe meinte) für „mächtiger als alle menschliche Weisheit und
Wissenschaft“.[27]
Noch der letzte Scholarch der Athener Schule, Damaskios († nach 538),
schätzte die Theurgie. Allerdings war er der Meinung, man solle nicht
Philosophie und Theurgie zugleich praktizieren und sich als Philosoph
eine theurgische Kompetenz anmaßen.[28] Zu den Befürwortern eines Vorrangs der Theurgie vor der Philosophie gehörte Damaskios’ jüngerer Zeitgenosse Olympiodoros der Jüngere († nach 565), ein prominenter Lehrer an der Philosophenschule von Alexandria.

Der spätantike Theologe Pseudo-Dionysius Areopagita,
dessen neuplatonisch geprägte Werke im Mittelalter hohes Ansehen
genossen, führte den Begriff „Theurgie“ in die christliche Theologie
ein. Er bezeichnete damit das Wirken des Heiligen Geistes und Jesu Christi und insbesondere die von Gott herbeigeführte Wirksamkeit der Sakramente.[29]

Rezeption


Im mittelalterlichen Byzantinischen Reich befasste sich im 11. Jahrhundert der Gelehrte Michael Psellos intensiv mit den ihm zugänglichen Quellen zur antiken paganen Theurgie.[30]
Im Westen waren den lateinischsprachigen Gelehrten des Mittelalters die
Hauptquellen zur paganen Theurgie unbekannt, sie wurden erst von den Humanisten entdeckt.

In der Frühen Neuzeit – spätestens im 17. Jahrhundert – setzte sich die Einschätzung durch, die Theurgie sei eine Form von „Weißer Magie“.[31] Im einschlägigen Artikel der Encyclopédie
(1765) wurde hervorgehoben, dass die Theurgen hohen moralischen
Anforderungen genügen mussten und dass zwischen Theurgie und (Schwarzer)
Magie ein großer Unterschied bestand.[32]

Quellensammlung



  • Richard Sorabji: The Philosophy of the Commentators, 200−600 AD. A Sourcebook. Band 1: Psychology (with Ethics and Religion). Duckworth, London 2004, ISBN 0-7156-3245-0, S. 381–390 (Quellentexte zur Theurgie in englischer Übersetzung)

Literatur



  • Sarah Iles Johnston: Hekate Soteira. A Study of Hekate’s Roles in the Chaldean Oracles and Related Literature. Scholars Press, Atlanta 1990, ISBN 1-55540-427-8
  • Sarah Iles Johnston: Rising to the Occasion: Theurgic Ascent in its Cultural Milieu. In: Peter Schäfer, Hans G. Kippenberg (Hrsg.): Envisioning Magic. Brill, Leiden 1997, ISBN 90-04-10777-0, S. 165–194
  • Hans Lewy: Chaldaean Oracles and Theurgy. Mysticism, Magic and Platonism in the Later Roman Empire, Neuausgabe besorgt von Michel Tardieu, Études Augustiniennes, Paris 1978, ISBN 2-85121-025-4 (gründliche Untersuchung, nach dem Tod des 1945 gestorbenen Autors publiziert; teilweise überholt)
  • Georg Luck: Theurgy and Forms of Worship in Neoplatonism. In: Georg Luck: Ancient Pathways and Hidden Pursuits. Religion, Morals, and Magic in the Ancient World. University of Michigan Press, Ann Arbor 2000, ISBN 0-472-10790-9, S. 110–152
  • Thomas Stäcker: Die Stellung der Theurgie in der Lehre Jamblichs. Peter Lang, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-631-48926-9
  • Carine Van Liefferinge: La Théurgie. Des Oracles Chaldaïques à Proclus. Centre International d’Étude de la Religion Grecque Antique, Liège 1999

Anmerkungen



  1. ↑ Thomas Stäcker: Die Stellung der Theurgie in der Lehre Jamblichs, Frankfurt am Main 1995, S. 116 und Anm. 426; Beate Nasemann: Theurgie und Philosophie in Jamblichs De mysteriis, Stuttgart 1991, S. 49 und Anm. 38; Sarah Iles Johnston: Hekate Soteira, Atlanta 1990, S. 85–87, 131f. Anderer Meinung ist Georg Luck: Ancient Pathways and Hidden Pursuits, Ann Arbor 2000, S. 118f. Vgl. Ilinca Tanaseanu-Döbler: Konversion zur Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 2008, S. 89f. und zur Begriffsgeschichte Hans Lewy: Chaldaean Oracles and Theurgy, Paris 1978, S. 461–464.
  2. ↑ Zur Begriffsbestimmung der Theurgie siehe Friedrich W. Cremer: Die Chaldäischen Orakel und Jamblich de mysteriis, Meisenheim am Glan 1969, S. 19–23; Ilinca Tanaseanu-Döbler: Konversion zur Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 2008, S. 38f.
  3. ↑ Beispielsweise bei Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Theologie – Philosophie – Mystik, Band 2, Frankfurt am Main 2005, S. 147, 451, 596 (Theurgie in der Kabbala). Zu dieser Begriffsverwendung siehe Menachem Kallus: The Theurgy of Prayer in the Lurianic Kabbalah, Jerusalem 2002, S. 12 (Anm.).
  4. ↑ Zu dieser Lehre siehe Thomas Alexander Szlezák: Platon und Aristoteles in der Nuslehre Plotins, Basel 1979, S. 167–205.
  5. ↑ Gregory Shaw: After Aporia: Theurgy in Later Platonism. In: John D. Turner, Ruth Majercik (Hrsg.): Gnosticism and Later Platonism, Atlanta 2000, S. 57–82, hier: 67–79; Friedrich W. Cremer: Die Chaldäischen Orakel und Jamblich de mysteriis, Meisenheim am Glan 1969, S. 23. Zur Rechtfertigung materieller Hilfsmittel siehe Gregory Shaw: Theurgy as Demiurgy: Iamblichus’ Solution to the Problem of Embodiment. In: Dionysius 12, 1988, S. 37–59, hier: 52–55.
  6. ↑ Beate Nasemann: Theurgie und Philosophie in Jamblichs De mysteriis, Stuttgart 1991, S. 225, 228.
  7. ↑ Hans Lewy: Chaldaean Oracles and Theurgy, Paris 1978, S. 316–394.
  8. ↑ Sarah Iles Johnston: Hekate Soteira, Atlanta 1990, S. 49–133, 153–163. Zur Kosmologie der Theurgen siehe Hans Lewy: Chaldaean Oracles and Theurgy, Paris 1978, S. 76ff. (zu Hekate S. 83–98, 353–366); Ilinca Tanaseanu-Döbler: Konversion zur Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 2008, S. 29–34.
  9. ↑ Gregory Shaw: Theurgy and the Soul. The Neoplatonism of Iamblichus, University Park (Pennsylvania) 1995, S. 110f., 179–188.
  10. ↑ Zur Lichtanrufung (Photagogie) siehe Friedrich W. Cremer: Die Chaldäischen Orakel und Jamblich de mysteriis, Meisenheim am Glan 1969, S. 110–112.
  11. ↑ Thomas Stäcker: Die Stellung der Theurgie in der Lehre Jamblichs, Frankfurt am Main 1995, S. 101, 174–176, 230; Sarah Iles Johnston: Hekate Soteira, Atlanta 1990, S. 85–87; Beate Nasemann: Theurgie und Philosophie in Jamblichs De mysteriis, Stuttgart 1991, S. 132f., 279; Carine Van Liefferinge: La Théurgie, Liège 1999, S. 55–85.
  12. ↑ Georg Luck: Ancient Pathways and Hidden Pursuits, Ann Arbor 2000, S. 118f. Vgl. dazu Sarah Iles Johnston: Hekate Soteira, Atlanta 1990, S. 131f.; Ilinca Tanaseanu-Döbler: Konversion zur Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 2008, S. 41 und Anm. 102, 47–49, 89f.; Carine Van Liefferinge: La Théurgie, Liège 1999, S. 143f.
  13. ↑ Zu den Jenseitsvorstellungen der Theurgen siehe Hans Lewy: Chaldaean Oracles and Theurgy, Paris 1978, S. 211–226.
  14. ↑ Skepsis hinsichtlich der Historizität von Vater und Sohn äußert Rowland Smith: Julian’s Gods, London 1995, S. 92–97. Vgl. Henri-Dominique Saffrey: Les Néoplatoniciens et les Oracles Chaldaïques. In: Revue des Études Augustiniennes 27, 1981, S. 209–225, hier: 210–215; John Vanderspoel: Correspondence and Correspondents of Julius Julianus. In: Byzantion 69, 1999, S. 396–478, hier: 459–463.
  15. ↑ John Vanderspoel: Correspondence and Correspondents of Julius Julianus. In: Byzantion 69, 1999, S. 396–478, hier: 459–465 nimmt Entstehung im Zeitraum 280–305 an und vermutet, der Verfasser könne Iulius Iulianus sein, der Großvater des Kaisers Julian. Anderer Meinung ist Polymnia Athanassiadi: The Chaldaean Oracles: Theology and Theurgy. In: Polymnia Athanassiadi, Michael Frede (Hrsg.): Pagan Monotheism in Late Antiquity, Oxford 1999, S. 149–183, hier: 150; sie hält die Zuschreibung der Chaldäischen Orakel an Julian den Theurgen für glaubwürdig.
  16. ↑ Porphyrios, Vita Plotini 10.
  17. ↑ Thomas Stäcker: Die Stellung der Theurgie in der Lehre Jamblichs, Frankfurt am Main 1995, S. 117f.; Andrew Smith: Porphyry’s Place in the Neoplatonic Tradition, Den Haag 1974, S. 128–140; Georg Luck: Ancient Pathways and Hidden Pursuits, Ann Arbor 2000, S. 139–141.
  18. ↑ Eine zusammenfassende Darstellung bietet Ilinca Tanaseanu-Döbler: Konversion zur Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 2008, S. 37–56.
  19. ↑ Thomas Stäcker: Die Stellung der Theurgie in der Lehre Jamblichs, Frankfurt am Main 1995, S. 117–119; Ilsetraut Hadot: Die Stellung des Neuplatonikers Simplikios zum Verhältnis der Philosophie zu Religion und Theurgie. In: Theo Kobusch, Michael Erler (Hrsg.): Metaphysik und Religion. Zur Signatur des spätantiken Denkens, München 2002, S. 323–342, hier: 324f.; Gregory Shaw: Theurgy and the Soul. The Neoplatonism of Iamblichus, University Park (Pennsylvania) 1995, S. 85–87.
  20. ↑ Thomas Stäcker: Die Stellung der Theurgie in der Lehre Jamblichs, Frankfurt am Main 1995, S. 119–121; Friedrich W. Cremer: Die Chaldäischen Orakel und Jamblich de mysteriis, Meisenheim am Glan 1969, S. 25–36.
  21. ↑ Friedrich W. Cremer: Die Chaldäischen Orakel und Jamblich de mysteriis, Meisenheim am Glan 1969, S. 37–101.
  22. ↑ Silvia Lanzi: Sosipatra, la teurga: una “holy woman” iniziata ai misteri caldaici. In: Studi e materiali di storia delle religioni 28, 2004, S. 275–294.
  23. ↑ Zum Gegensatz zwischen Eusebios’ Haltung und der von Maximos vertretenen Richtung siehe Polymnia Athanassiadi: Julian. An Intellectual Biography, London 1992, S. 31–37; Klaus Rosen: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser, Stuttgart 2006, S. 95–97.
  24. ↑ Zu Julians Verständnis der Theurgie siehe Ilinca Tanaseanu-Döbler: Konversion zur Philosophie in der Spätantike, Stuttgart 2008, S. 135–141.
  25. ↑ Jay Bregman: Judaism as Theurgy in the Religious Thought of the Emperor Julian. In: The Ancient World 26, 1995, S. 135–149, hier: 146–148.
  26. ↑ Zur Abdrängung in die Illegalität siehe Jean-Benoît Clerc: Theurgica legibus prohibita: À propos de l’interdiction de la théurgie. In: Revue des Études Augustiniennes 42, 1996, S. 57–64.
  27. ↑ Proklos, Platonische Theologie 1,25, herausgegeben von Henry D. Saffrey und Leendert G. Westerink: Proclus: Théologie platonicienne, Bd. 1, Paris 1968, S. 113 Z. 6–10. Zur Interpretation dieser Stelle siehe Anne Sheppard: Proclus’ attitude to theurgy. In: The Classical Quarterly 76 (= New Series 32), 1982, S. 212–224, hier: 219–221. Zur Theurgie bei Proklos siehe auch Robbert M. Van den Berg: Towards the Paternal Harbour. Proclean Theurgy and the Contemplation of the Forms. In: Alain-Philippe Segonds, Carlos Steel (Hrsg.): Proclus et la Théologie Platonicienne, Leuven und Paris 2000, S. 425–443.
  28. ↑ Polymnia Athanassiadi (Hrsg.): Damascius: The Philosophical History, Athen 1999, S. 222f. (Nr. 88A) und 326f. (Nr. 150). Vgl. Ilsetraut Hadot: Die Stellung des Neuplatonikers Simplikios zum Verhältnis der Philosophie zu Religion und Theurgie. In: Theo Kobusch, Michael Erler (Hrsg.): Metaphysik und Religion. Zur Signatur des spätantiken Denkens, München 2002, S. 323–342, hier: 329–332.
  29. ↑ Zu dieser Rezeption des Begriffs Theurgie siehe Wiebke-Marie Stock: Theurgisches Denken. Zur Kirchlichen Hierarchie des Dionysius Areopagita, Berlin 2008, S. 31f., 160–171 (mit Diskussion älterer Literatur).
  30. ↑ Georg Luck: Ancient Pathways and Hidden Pursuits, Ann Arbor 2000, S. 134, 144f.; Sarah Iles Johnston: Hekate Soteira, Atlanta 1990, S. 7f.
  31. ↑ Thomas Stäcker: Theurgie. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 10, Basel 1998, Sp. 1180–1183, hier: 1182.
  32. Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, Band 16, Neuchâtel 1765, S. 278.
  33. Quelle. Wikipedia
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