Bön[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Phurbu
Bön ( པོན , tibetisch transliteriert: Bon) war die vorherrschende Religion in Tibet, bevor im 8. Jahrhundert der Buddhismus ins Land gelangte. Für die Anhänger bedeutet das Wort
Bön so viel wie „Wahrheit, Wirklichkeit“ und „Wahre Lehre“. Mit dem
Vordringen des Buddhismus in Tibet kam es zu einer gegenseitigen
Beeinflussung der Religionen, wobei aus dem Bön z. B. rituelle und schamanistische
Elemente oder Bön-Gottheiten in den Buddhismus gelangten, umgekehrt der
Buddhismus die Philosophie des Bön tiefgehend beeinflusste. Die
Bön-Religion konnte sich trotz ihrer in den letzten Jahrhunderten
gegenüber der buddhistischen Staatsreligion Tibets stets benachteiligten Position aufrechterhalten und wurde 1977 als spirituelle Schule von der tibetischen Exilregierung förmlich anerkannt. 2006 wurde das Yungdrung-Bön Zentrum Shenten Dargyé Ling in Frankreich als Kloster einer eigenständigen Glaubensgemeinschaft vom Staat anerkannt.
Geschichte [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Teil eines Bön-Lebensrades
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Bön-Kloster Khyungpori Tsedruk in Nord-Tibet (AGT)
Es ist schwierig, verlässliche Quellen zum Bön zu finden. Darüber
hinaus besteht das Problem, dass buddhistische Quellen die Geschichte
des Bön völlig anders darstellen als die Bön-Religion selbst.
Die Bön-Religion geht der Legende nach auf Tönpa (Meister) Shenrab Miwoche zurück, der in einem Land namens Tagzig in Zentralasien lebte. Durch ihn sollen die früher in Tibet verbreiteten Tieropfer durch symbolische Opferungen abgelöst worden sein.
Später breitete sich Bön nach Westen aus und war Staatsreligion in Zhang-Zhung, einem Land im Westen Tibets, das den Berg Kailash
umgibt. Es verbreitete sich auch im östlich gelegenen Tibet. Die
Königsdynastie von Zhang-Zhung ging im 7. Jahrhundert (vermutlich 634)
mit der Eroberung durch den zentraltibetischen König Songtsen Gampo und der Tötung des Königs Ligmincha (Ligmirya) in einem Hinterhalt zu Ende. Mit der Stärkung des Buddhismus in Tibet durch König Trisong Detsen
(ab 755) wurde die Bön-Religion zunehmend verdrängt und verfolgt. Bis
dahin waren zum Beispiel Bön-Lamas für die Bestattungsrituale des Königs zuständig. Unter König Langdarma
(Regierungszeit 836-842) besserte sich die Lage der Bönpa. Langdarma
wurde jedoch von einem fanatischen Buddhisten ermordet, woraufhin das
tibetische Königreich zerfiel. Durch die Verfolgung wurden die Bönpa in
die Randbereiche des tibetischen Kulturraumes abgedrängt, zum Beispiel
nach Amdo im Nordosten sowie Dolpo in Nepal.
Mit dem Beginn der so genannten "neuen Übersetzungstradition" (Sarma) des Buddhismus im 11. Jahrhundert reorganisierten sich Bön und die buddhistische Nyingma-Tradition, beide auf der Grundlage wieder aufgefundener Lehrtexte (Terma),
die in der Zeit der Verfolgung und der Wirren versteckt worden waren.
Es wurde ein systematisches Lehrgebäude geschaffen und die Ordination
der Mönche und Nonnen, ähnlich jener der buddhistischen Schulen,
verbreitete sich.
Im Jahr 1405 wurde das Kloster Menri von Bön-Lama Nyammed Sherab Gyaltsen gegründet. Menri und das später gegründete Kloster Yungdrung Ling
wurden zu den bedeutendsten Klöstern des Bön. Die Bön-Tradition, wie
auch die buddhistischen Traditionen Tibets, litten ab Mitte des 20.
Jahrhunderts, nach dem Einmarsch der chinesischen Armee in Tibet, unter
Verfolgungen, besonders während der chinesischen Kulturrevolution (1966-76). Kein tibetisches Kloster hat die Wirren dieser Zeit unbeschädigt überstanden. Das bedeutendste Bön-Kloster, Menri, wurde in Dolanji im indischen Exil neu gegründet. 1977 erkannte der Dalai Lama Bön als fünfte spirituelle Schule Tibets
an, und wie für die vier Hauptschulen des tibetischen Buddhismus wurden
zwei Vertreter des Bön in das tibetische Exilparlament berufen.
Ungeachtet dessen, dass der neue Bön stark buddhisiert ist, kam es in
der Geschichtsschreibung des Bön immer wieder dazu, dass der Buddhismus
als Fremdreligion angesehen wurde, als allgemeine Katastrophe
diffamiert wurde und auch als kollektives schlechtes Karma der Tibeter angesehen wurde.
Gegenwärtige Verbreitung Abgesehen vom indischen Exil, z. B. im Menri-Kloster,
ist Bön auch noch in seinem Ursprungsland eine lebendige Religion. Die
Bön-Religion ist immer noch relativ verbreitet. Besonders in Ost-Tibet
leben auch heutzutage viele Anhänger des Bön. Vereinzelte Kommunen gibt
es auch in West- und Zentraltibet, sowie unter Nomaden. Auch in Nepal
ist der Bön noch zu finden. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts
wurden in Tibet einige Bön-Klöster wieder aufgebaut und von Mönchen
besiedelt, so das tibetische Menri Kloster und das Kloster Yungdrung Ling.
Schulen In der Geschichte des Bön treten drei unterscheidbare Formen der
Religion auf, die alle Bön genannt werden. Die historisch gesehen erste
Form ist eine schamanistische Religion, heute auch 'primitiver Bön'
genannt. Die zweite Form ist der Yungdrung-Bön, auch ewiger oder
glückverheißender Bön genannt, der auf den Buddha Shenrab Miwo
zurückgehen soll. Die dritte Form ist der reformierte Bön, der auf
wiederaufgefundenen Texten (Terma)
beruht. Trotz der unterschiedlichen historischen Phasen und Formen der
Religion sind die drei Formen nicht eindeutig abgrenzbar, sondern es
handelt sich wahrscheinlich trotzdem um dieselbe Religion, obwohl dies
auch wissenschaftlich umstritten ist. Alle drei Formen werden heutzutage
noch praktiziert.
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Bön-Schrift
Alter Bön Alter Bön wird auch Schwarzer Bön genannt. Da der alte Bön sich stark
vom neuen Bön unterscheidet, ist wissenschaftlich umstritten, ob es
sich hier überhaupt um die gleiche Religion handelt. Die Priester des
Alten Bön wurden jedoch im vorbuddhistischen Tibet auch schon Bönpa
genannt, so dass auch der Alte Bön häufig zur Bön-Religion gezählt wird.
In Tibet gibt es bis heute eine weite Verbreitung von volksreligiösen
Glaubens- und Ritualformen. Diese werden in der westlichen Literatur
zumeist auch als Bön angesehen, obwohl dies in der tibetischen Kultur
keinerlei Grundlage hat und diese Religionsform von Wissenschaftlern
mittlerweile auch als die "namenlose Religion" bezeichnet wird.
Der so genannte Alte Bön bezieht sich auf vorbuddhistische Riten und
religiöse Anschauungen, deren System sich sowohl vom Buddhismus als auch
vom späteren Bön stark unterscheidet. Während der spätere Bön z. B. die
Lehre von Karma und Reinkarnation
angenommen hat, spielte im frühen Bön das Leben nach dem Tod eine große
Rolle, so dass Begräbnisriten besonders wichtig waren. Die komplexen
Rituale des alten Bön wurden z. B. beim Tod eines Königs oder
hochgestellter Adliger und Minister ausgeführt, um diese in das
nachtodliche Land der Freude zu begleiten.
In dieser auch unter Bön gefassten Religionsform spielen beseelte Naturphänomene (vgl. Animismus) und deren Beherrschung oder Besänftigung durch magische Rituale
eine wichtige Rolle. Die Ursprünge des Alten Bön gehen in die
vorgeschichtliche Zeit zurück. Die Bön-Religion hat, obwohl durch den
Buddhismus beeinflusst, ein eigenes Pantheon von Göttern, Geistern, Dämonen und anderen Wesen, die in Ritus und Kult eine wichtige Rolle spielen. Die magischen Rituale des Bön drehen sich z. B. um Tranceerlebnisse, Opfer an die Götter, Wahrsagen, Reisen in die Unterwelt,
Wetterzauber, den medialen Kontakt zu Geistern und die Abwehr von
Dämonen. Viele Riten des Alten Bön wurden bis heute erhalten und die
Praktiken der tibetischen Volksreligion
gehen oft bis in Zeit des alten Bön zurück. Der tibetische Buddhismus
selbst wurde stark durch Bön beeinflusst, so bedienten sich z. B. die Gelugpa der Bön-Zauberer (Nagspa), um Dämonen durch diese abwehren zu lassen, und die Praktiken des tibetischen Staatsorakels stammen wohl auch aus vorbuddhistischer Zeit.
Ewiger Bön/Yungdrung-Bön [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Bön-Mani-Stein mit dem Mantra
Om ma tri mu ye sa le du.
Yungdrung Bön (Swastika-Bön), auch „Ewiger Bön“ genannt, geht auf den Lehrmeister (Tönpa) Shenrab Miwoche zurück. Dieser wird von den Bön auch als Buddha betrachtet. Tapihritsa und Drenpa Namkha sind historische Meister der Yungdrung-Bön-Tradition.
Die Lehren dieser Schule umfassen mehr als 200 Werke. Darunter finden sich auch Schriften zu Philosophie, Heilkunde, Metaphysik und Kosmologie. Besonders die philosophischen Grundlagen stehen denen der Buddhisten nahe. Lehren über Karma
(das Gesetz von Ursache und Wirkung) und über Mitgefühl lösten die
Glaubenselemente des Alten Bön ab. Die Gottheiten des Alten Bön wurden
im Sinne von Meditations-Gottheiten (Yidam-Gottheiten)
integriert oder als Schützer der Lehre eingebunden, während z. B. die
Gottheiten und Dämonen des Bön umgekehrt auch von den Nyingmapa übernommen wurden.
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Tenzin Namdak, Abt eines Bön-Klosters in Nepal
Die Lehren des Yungdrung-Bön teilen sich auf in die so genannten
„Neun Wege“, „Vier Pforten und eine Schatzkammer“ und in die „Äußeren,
Inneren und Geheimen Unterweisungen“. Der letzte Teil der Lehren teilt
sich auf in Sutra, Tantra und Dzogchen,
ganz ähnlich derer, die auch in der Nyingma-Schule des tibetischen
Buddhismus zu finden sind. Es gibt aber Hinweise, dass Dzogchen, die
Lehren über die „Große Vollkommenheit“, bereits vor Einführung der
buddhistischen Lehren in Tibet, in Zhang Zhung existierten. Die
Dzogchen-Lehren der Nyingma gehen im Unterschied dazu auf Garab Dorje aus dem Land Oddiyana zurück.
Unter den Lehren der Bön finden sich auch die Belehrungen des „Zhang
Zhung Nyan Gyud“, die "mündlichen Unterweisungen von Zhang Zhung", die
ältesten Überlieferungen eines Dzogchen-Meditationssystems der Bön.
Bekannte gegenwärtige Lehrer der Tradition des Yungdrung-Bön sind der ehrwürdige Yongdzin Tenzin Namdak Rinpoche und Tenzin Wangyal Rinpoche,
einer seiner wichtigsten Schüler. Beide Meister lehren auch im Westen.
Der vielleicht berühmteste Bön-Meister der jüngeren Vergangenheit, der
im Kontext der Rime-Bewegung auch viele buddhistische Schüler hatte, war Shardza Tashi Gyaltsen. Bei seinem Tod trat nach der Überlieferung das Phänomen des Regenbogenkörpers auf, demnach soll sich sein Körper in
Licht (d. h. seine energetischen Bestandteile) aufgelöst haben.
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Bön-Kloster in Sichuan
Neuer Bön Neuer Bön, auch „reformierter Bön“ genannt, steht systematisch
zwischen Yungdrung-Bön und der buddhistischen Nyingma-Tradition. Er
entwickelte sich ab dem 14. Jahrhundert aus einer Synthese von
Lehrelementen des Yungdrung-Bön und Elementen der Nyingma, vor allem
durch das wechselseitige Auffinden von Termas der Bön- und der Nyingmatradition. Ein berühmter Meister des neuen Bön war Bönzhig Yungdrung Lingpa, als Nyingma-Tertön auch unter dem Namen Dorje Lingpa
(1346–1405) bekannt. Der neue Bön ist gekennzeichnet durch eine Fülle
von komplexen Ritualen, die durch die Bön-Mönche ausgeführt werden. Die
Rituale selbst unterscheiden sich nicht besonders stark von
buddhistischen Ritualen, jedoch werden sie teilweise umgekehrt
ausgeführt, indem z. B. anders als im Buddhismus eine rituelle
Umkreisung entgegen dem Uhrzeigersinn stattfindet, und die angerufenen
Gottheiten, deren Namen, Ikonographien, Mythen und Mantren nicht buddhistisch, sondern nur der Bön-Religion eigen sind.
Oberflächlich gesehen unterscheidet sich jedoch die Ausbildung eines
Bön-Mönches nicht von der buddhistischer Mönche. Beispielsweise kann ein
Geshe-Grad durch Studium von Logik
und Philosophie erworben werden, das Ziel der Praxis, Dzogchen,
unterscheidet sich nicht allzu sehr vom buddhistischen Dzogchen, in der
Liturgie wird Padmasambhava angerufen und den Altar schmückt häufig auch ein Bild des Dalai Lama.
Lehren Die Lehren des Bön basieren auf sehr umfangreichen Schriften (Kanjur und Tanjur)
und können auf verschiedene Art gegliedert werden. Eine der
Gliederungen ist jene in die "Neun Wege" des Bön, welche in groben Zügen
den neun Fahrzeugen der Nyingma-Tradition entsprechen. Die Grundsätze
der Lehre sind dieselben wie im auf Buddha Shakyamuni zurück gehenden
Buddhismus, der nach Bön-Auffassung in einem früheren Leben Schüler von
Tönpa Shenrab Miwo
war. Trotz dieser Nähe zum Buddhismus hat der Bön jedoch auch noch
eigene Lehren, Rituale, Mythen und Götter, so dass er als eigenständige
Religion gilt.
Die neun Wege des Bön sind folgend eingeteilt:
- 1. Weg des Priesters der Voraussage: Wahrsagekunst, Astrologie, Ritualistik und Medizin.
- 2. Weg des Priesters des Visuellen: Methoden zur Befriedung der Götter und Dämonen des Diesseits.
- 3. Weg des Priesters der Illusion: Methoden zur Beherrschung von Feinden.
- 4. Weg des Priesters der Existenz: Methoden zur Erlösung und Fragen über den Zeitraum zwischen Tod und Wiedergeburt.
- 5. Weg der tugendhaften Anhänger: Gläubige, die tugendhaft handeln, nach Vervollkommnung streben und Stupas bauen und verehren.
- 6. Weg der Asketen: Asketische Disziplinen, teilweise buddhistisch, teilweise unbuddhistisch.
- 7. Weg des reinen Schalls: Praxis des höheren Tantras, Theorien über Verwandlung durch Mandalas.
- 8. Weg des urzeitlichen Priesters: Ausüben der Praxis von Mandalas durch Anfertigung, Meditation und Verwirklichung von überrationalen Zuständen der Vollkommenheit.
- 9. Die höchste Vollendung (Dzogchen)
Andere Einteilungen der Schriften sprechen von vier Pforten und einer Schatzkammer oder von fünf Schatzkammern.
Die neun Wege betreffen unterschiedliche Priestergruppen, die
unterschiedliche Aufgaben wahrnahmen. Das Schrifttum des Bön reicht weit
zurück und die Einteilungen in Kategorien von Zauber sind eine
buddhisierte Form des Schrifttums. In älteren Schriften wird manchmal
von anderen Kategorien gesprochen, wie z. B. Himmelsbön oder
Begräbnisbön, so dass unterschiedliche Priestergruppen wohl schon
unterschiedliche Aufgaben im ursprünglichen Bön wahrgenommen hatten.
Meditation und Dzogchen Meditationssyteme sind im neuen Bön in drei Formen unterteilt:
- 1. Das wichtigste der Meditationssysteme stellt das Zhang Zhung Snyan grud dar, das auf einen Meister aus Zhang Zhung bis ins 8. Jahrhundert zurückgehen soll.
- 2. A khrid soll auf einen Eremiten des frühen 11.
Jahrhunderts zurückgehen. Diese Meditation ist in Perioden aufgeteilt,
die ein bis zwei Wochen dauern. Anfänglich gab es 80 Perioden, später
nur noch 15.
- 3. Anfang des 11. Jahrhunderts fand man Texte, die Dzogchen beschrieben und von der 'höchsten Vollendung' handelten. Diese Texte ähneln denen der Nyingma.
Praktiken [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Phurba
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Tibetischer Maskentänzer
Die Praktiken des Bön sind komplex und vielfältig. Grundlegend sind symbolische Handlungen und Rituale,
die auch im alltäglichen Leben eine Rolle spielen, viele von ihnen sind
als magisch zu verstehen. Schamanen und Priester, die zumeist auch
außerhalb der Klosterkultur leben, haben häufig die Aufgabe, die Geister
zu besänftigen und sich durch Opfergaben mit ihnen zu versöhnen. So
sind Austreibung von Dämonen der Krankheit üblich, oder das Opfern von
Teigfiguren, Zeremonialkuchen, Mehl und Butter. Die Bönpa glauben, dass
ihre Religion schon immer aus Magie bestanden habe, und Shenrab Miwo selbst diese weitergegeben habe. Einige Praktiken des Bön sollen im folgenden beispielhaft dargestellt werden:
Mysterienspiele
in denen Maskentänze und Gesänge aufgeführt werden, und Opfergaben
dargebracht werden, gehören zu den Praktiken, die bis in die
vorbuddhistische Zeit zurückreichen. Diese Tänze werden sTag dmar 'Cham,
'der Tanz des roten Tigerdämons', genannt und handeln oft von den alten
Berggottheiten Tibets. Das ursprüngliche Cham war wahrscheinlich
Fruchtbarkeitszauber und Dämonenaustreibung, auch anlässlich von
jahreszeitlichen Festen. Die Cham-Tänze wurden vom Buddhismus übernommen
und werden auch heutzutage noch aufgeführt.
Ebenfalls vom Buddhismus übernommen wurde der Phurba-Kult. Phurbus, bzw. Phurbas sind magische Dolche,
die in vielen Ritualen eingesetzt werden, z. B. zur Dämonenbannung, für
Wetterzauber und Hagelabwehr oder zur Reinigung von schädlichen
Einflüssen. Der Meister Shenrab Miwo wurde stets mit einem großen Phurbu
in der Hand abgebildet. Der Phurbu wurde jedoch auch immer zu
schwarzmagischen Zwecken eingesetzt, so dass Phurbu-Zauberer auch
gefürchtet waren. Der Fluch der wandernden Dolche z. B. sollte dazu
dienen, ein Opfer auch über größere Entfernungen zu vernichten. Dazu
wird der Phurbu in den Händen gerollt, mit magischen Formeln besprochen
und mithilfe des Dolch-Gottes Phurpa geschleudert, um telekinetisch das Opfer zu treffen.
Zor-Rituale benutzen magische Waffen, die Zor, um schlechte Einflüsse abzuwehren. Zor sind zumeist aus Teig gemachte kleine Pyramiden,
die mit magischen Kräften ausgestattet werden. Schleudert man einen
Zor, so setzt er magische Kräfte frei, die den Feind oder das Unheil
zerstören sollen.
Fadenkreuze, Mdos, werden als Geisterfallen hergestellt. Sie bestehen
aus Fäden, die geometrische Figuren an gekreuzten Holzstäben bilden.
Das Herstellen von Fadenkreuzen erfordert ein komplexes Ritual, in
dessen Verlauf Gottheiten eingeladen werden, das Fadenkreuz zu beziehen.
Fadenkreuze sind häufig über Haustüren angebracht, um das Haus und
seine Bewohner zu schützen. Nach einer bestimmten Zeit wird das
Fadenkreuz zumeist mit den darin gefangenen Dämonen verbrannt.
Sehr verbreitet sind Amulette und Talismane,
die auch als Schmuck getragen werden, oft aus Koralle und Türkis oder
in silbernen Behältnissen. Diese Glücksbringer werden von Männern,
Frauen, Kindern und in allen sozialen Schichten getragen, häufig trägt
man mehrere davon.
Schädliche Magie, die gegen Menschen gerichtet ist, soll von
schwarzen Bönpa oder Nagspa (Zauberern) gegen Entlohnung ausgeübt
werden. Auch hier gibt es viele Formen von Schadenszauber.
Beispielsweise wird das Horn eines Wildyaks rituell mit einer Zeichnung
des Opfers und mannigfaltigen unreinen Substanzen gefüllt, mit schwarzem
Faden verschlossen und im Fundament der Behausung des Opfers verborgen.
Mythologie Die Bön-Überlieferung ist reich an Mythen unterschiedlichster Art. Sie beziehen sich auf Kosmogonie, Theogonie und Genealogie,
und es gibt eine Fülle von Schöpfungsmythen. Viele Mythen stellen sich
konkret, andere philosophisch dar. Die verschiedenen Mythen sind
regional gefärbt und bieten eine reichhaltige Vorstellungswelt, die
trotz Gemeinsamkeiten kaum zu klassifizieren ist. Ursprünglich hatte
wohl jede Region lokale Ahnengötter, und es gibt Hinweise, dass es auch
vielfältige regionale Hauptgottheiten gab. Viele alte Mythen wurden im
Laufe der Zeit als Symbole verstanden, die dem Heilsweg angehören.
In der Mythologie des Bön spiegelt sich der Prozess von sich
aneinander angleichenden und sich wandelnden Glaubensvorstellungen und
Kulten, die auch Erinnerungen an eine vorliterarische Überlieferung
bewahrt haben. Diese beziehen sich häufig auf verschiedene Formen von Exorzismus und Magie.
Da Bön ursprünglich eine Zauberreligion war, beziehen sich auch viele
detaillierte Erzählungen oder Traktate, die auch rituell rezitiert
wurden, auf die Ursprünge von Magie und Zaubergerätschaften.
Das Erzählen von Mythen hatte auch liturgische Zwecke, die rituelle
Erzählung eines Ursprungsmythos sollte z. B. die Rückkehr zu einem
ursprünglichen Zustand bewirken.
Wiederkehrende mythologische Motive sind die Unterscheidung zwischen
dem Wohltuenden und dem Schädlichen, die Paarbildung von Gottheiten oder
mythischen Wesen und die Einteilung in gute, böse und ambivalente
Gottheiten. Auch die Sakralität von Bergen und Grotten oder von heiligen
Orten ist ein immer wiederkehrendes Motiv. In einigen Überlieferungen
werden die Berge auch mit den einzelnen Göttern identifiziert, und
stellen wahrscheinlich auch Berg-Ahnen dar. Die heiligen Berge werden
als Seele des Landes und als Schutz für die Menschen angesehen.Der
wichtigste Berg in der Bön-Mythologie ist der Kailash
(auch Ti Se). Der Kailash ist der Sitz der Himmelsgöttter, Mittelpunkt
der Welt und verbindet Himmel und Erde. Er wird als riesiger Chörten
aus Kristall oder als Palast bzw. als Sitz eines Palastes bestimmter
Götter gedacht. Er hat vier Tore, die von Wächtern der Himmelsrichtungen
bewacht werden.
Die heiligen Orte sind nicht nur real, sondern auch spirituelle Orte
haben eine große Bedeutung in der Bön-Mythologie. So wird Tagzig Olmo
Lungring als reines Land
gedacht, das jenseits der unreinen Existenz liegt, und in dem alle
Erleuchteten geboren werden. Olmo Lungring ist von ewigem Frieden und
ewiger Freude erfüllt und wird als ewig während und unzerstörbar
angesehen. Der Yungdrung-Bön hat hier seinen Ursprung und auch Buddha
Shenrab Miwo wurde hier geboren.
Schöpfungsmythen des Bön stellen unterschiedliche mythologische Aspekte dar, in denen man z. B. auch zurvanitische oder shivaitische
Einflüsse feststellen kann und es erscheinen theoretisch-philosophische
Spekulationen. Diese Spekulationen der Bön-Mythologie beziehen sich in
den unterschiedlichen Mythen häufig auf Ursprünge, von Göttern,
Menschen, Stammeshäuptern. Der Ursprung wird zumeist als Zustand leerer
Potentialität gedacht, aus dem ein Ur-Ei hervorgeht, das die Welt als
Dasein hervorbringt oder die Welt des Daseins wird von einem ersten
Wesen bewirkt.
Das Pantheon des Bön In der Bön-Religion gilt jede natürliche Erscheinung als beseelt, so
dass es eine fast unüberschaubare Fülle von Geistern, Göttern, Dämonen
und Fabelwesen gibt. Diese Wesen leben an Orten, die in der Kosmologie
des Bön benannt werden. Einige von ihnen sind für diese Religion
besonders wichtig und überregional verbreitet.
Der Vogel Khyung Khyung ist ein mythischer Vogel, der einen Stierkopf trägt, mit der
Sonne und den Gewitterwolken verbunden ist, als mächtiger Schlangentöter
gilt und eine der Hauptschutzgottheiten des Bön ist, da er gegen die
Feinde des Bön kämpft. Er ähnelt dem indischen Garuda.
Einerseits gilt er als Reittier des dämonischen dMu-Königs,
andererseits begleitet er den hohen Weltgott Sangs po 'bum khri.
Westlich des Kailash ist dem Khyung ein Tal geweiht, in dem den Mythen
nach ein Silberschloss gestanden hat. Dieses Silberschloss kommt als
heilige Stätte in den meisten Gebeten und Rezitationen des Bön vor.
Sangs po 'bum khri Der Gott Sangs po 'bum khri ist eine Himmelsgottheit und gilt als Lenker (Srid pa) des gegenwärtigen Weltzeitalters.
Man unterscheidet bei diesem Gott fünf Aspekte des Srid pa: Des
Körpers, der Rede, des Verdienstes, der Werke und des Geistes. Der Gott
ist von weißer Farbe und sein Thron wird von einem weißen Khyung mit
grünen Flügeln getragen. Wie die Götter anderer Religionen hat auch er
Funktionen des Erbarmens, der Erlösung und der Errettung. Bevor der Bön
in Tibet entstand, soll es schon den Gott des Himmels gegeben haben, von
dem dieser Bön-Gott auch abstammt.
Andere Namen für diesen Gott sind Lha chen sangs po dkar po, weißer
reiner großer Geist, oder Bum khri gyal po in Westtibet. Es wird
vermutet, dass dieser Himmelsgott mit dem zoroastrischen Ahure Mazda verwandt sein könnte oder von diesem abstammt, u.a. auch deshalb, weil der Bön Einflüsse von Zoroastrismus und Manichäismus aufweist.
[Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um das Bild sehen zu können.]Buddhistisches Bild von Palden Lhamo
Palden Lhamo Palden Lhamo
ist eine wichtige Göttin des tibetischen Buddhismus, sie ist jedoch
älteren Ursprungs und wird deshalb auch von Bönpa verehrt. Im Bön wird
sie auch Srid (pa'i) rgyalmo genannt. Sie gilt als Beschützerin der
Bön-Tradition, als große Mutter und als Symbol der Rhythmen von Leben und Tod.
Pehar Pehar
oder Pekar ist eine wichtige Orakelgottheit, die auch von Buddhisten
verehrt wird. Neben der Orakelfunktion hat er noch weitere vielfache
Aufgaben, Würden und Pflichten, z. B. als Beschützer der Lehre,
Religionswächter, Vernichter von Feinden, Freund der Heiligen und als
Wächtergott über Zhang Zhung. Der buddhistischen Legende nach soll er
von Padmasambhava gezwungen worden sein, den Buddhismus zu schützen.
Lha, bTsan, gNyan In der Mythologie des Bön gibt es neben den einzelnen Göttern auch
sehr viele verschiedene Gruppen von Geistwesen, die gutartig oder
bösartig sein können. Einige sollen hier angeführt werden:
Lha
sind himmlische Wesen, die als gutartig gelten. In jeder Himmelsregion
gibt es unterschiedliche Gruppen von Lha. Die Lha verkörpern die
göttliche Macht, mit der die Menschen verbunden sind. Einige Lha leben
nicht in himmlischen Regionen, sondern sind z. B. der Gott des Herdes
oder der Gott des Innen oder Außen. Die tibetische Hauptstadt Lhasa (Ort der Lha) ist nach den Lha benannt, und der König wurde als Enkel des Lha angesehen.
bTsan sind Gottheiten, die als besonders mächtig angesehen werden und
auch im Buddhismus noch eine Rolle spielen. Sie leben in der Region
zwischen Himmel und Erde, können aber auch an anderen Orten erscheinen,
wie z. B. in Wäldern, Felsen, Gletschern oder Schluchten. Die
Erscheinung der bTsan ist die von wilden Jägern, die von roter Farbe
sind und auf roten Pferden reiten. Der König der bTsan trägt eine
Kriegsrüstung, ein Banner und eine Schlinge. Die bTsan gelten als
Beherrscher der unzähligen gNyan. bTsan können den Mythen nach
Herzinfarkte und tödliche Krankheiten hervorrufen.
Die gNyan symbolisieren die Mitte und halten sich beispielsweise in
Sonne, Mond, den Sternen, in Wolken, Regenbogen, im Wind und in den
Felsen auf. Die gNyan sind auch mit den Himmelsrichtungen verbunden. Der
Herrscher der gNyan trägt eine Rüstung mit Türkis-Ornamenten, ein
Siegesbanner mit einer Gans darauf und hat ein kristallfarbenes Antlitz.
Literatur
- Bru-sgom rGyal-ba g.yung-drung: The Stages of A-Khrid Meditation - Dzogchen Practice of the Bon-Tradition. Library of Tibetan Works and Archives, Dharamsala 1996, ISBN 81-86470-03-4.
- Christoph Baumer: Bön - Die lebendige Ur-Religion Tibets. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1999, ISBN 3-201-01723-X.
- Andreas Gruschke: The Cultural Monuments of Tibet’s Outer Provinces. Kham - Volume 1. The TAR Part of Kham (Tibet Autonomous Region). White Lotus Press, Bangkok 2004, ISBN 3-89155-313-7, S. 80-84.
- Namkhai Norbu: Dzogchen-Der Weg des Lichts. Diederichs, München 1989, ISBN 3-424-01462-1.
- Namkhai Norbu: Drung, Deu and Bön. Library of Tibetan Works and Archives, Dharamsala 1995, ISBN 81-85102-93-7.
- Tenzin Wangyal: Der kurze Weg zur Erleuchtung - Dzogchen-Meditationen nach den Bön-Lehren Tibets. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-596-13233-9.
- Tenzin Wangyal Rinpoche: Übung der Nacht - Meditationen in Schlaf und Traum.Diederichs. Hugendubel, Kreuzlingen 2001, ISBN 3-7205-2189-3.
- Tenzin Wangyal Rinpoche: The Tibetan Yogas of Dream and Sleep. Snow Lion Publications, Ithaca, NY 1998. (Englische Ausgabe von Übung der Nacht), ISBN 1-55939-101-4.
- Tenzin Wangyal Rinpoche: Die heilende Kraft des Buddhismus.Diederichs. Hugendubel, Kreuzlingen 2004, ISBN 3-7205-2487-6.
- Shardza Tashi Gyaltsen, Lopon Tenzin Namdak: Heart Drops of Dharmakaya. Snow Lion Publications, Ithaca, NY 1993, ISBN 1-55939-172-3.
- Lopön Tenzin Namdak, Karin Gungal: Der heilende Garuda - Ein Stück Bön-Tradition Garuda Verlag, Dietikon 1998, ISBN 3-906139-09-3.
- John Myrdhin Reynolds (Vajranatha): The Oral Tradition From Zhang-Zhung. Vajra Publications, Kathmandu 2005, ISBN 99946-644-4-1 (http://vajranatha.com, nur über amerikanische Buchhändler zu beziehen)
- Lopön Tenzin Namdak, John Myrdhin Reynolds: Bonpo Dzogchen Teachings. Vajra Publications, Kathmandu 2006, ISBN 99946-720-5-3 (http://vajranatha.com, nur über amerikanische Buchhändler zu beziehen)
- Michael A. Nicolazzi: Geheimnis Tibet. Die Ur-Religion des Bön. Patmos, 2003, ISBN 978-3-491-69400-2.
- Per Kvaerne in: Mircea Eliade (Hrg.): The Encyclopedia of Religion. Bd.2. New York 1987, ISBN 0-02-909710-X
- Keith Dowman: Geheimes, heiliges Tibet. Ein Führer zu den Mysterien des verbotenen Landes. Kreuzlingen, München 2000
- Gerhardt W. Schuster: Das alte Tibet. Geheimnisse und Mysterien. St.Pölten (u.a.); NP-Buchverlag 2000 ISBN 3-85326-137-X
- Sebastian Schüler: Vom Synkretismus zum Padmaismus: Zum Verhältnis von Religion und Politik im frühen tibetischen Buddhismus unter Padma Sambhava Journal of Religious Culture, Nr. 137, 2010 [Sie müssen registriert oder eingeloggt sein, um diesen Link sehen zu können]
- Giuseppe Tucci, Walther Heissig: Die Religionen Tibets und der Mongolei. Stuttgart [u.a.], Kohlhammer 1970
Kanonkataloge
- Per Kvaerne: The canon of the Tibetan Bonpos. in: Indo-Iranian Journal Vol 16 (1974), S. 18-56, 96-144.
- Chandra Lokesh et. al.: Catalogue of the Bon-Po Kanjur and Tanjur. in: Indo-Asian Studies 2; New Dehli 1965.
Weblinks
- Bön und tibetischer Buddhismus Transkript eines Vortrags von Alexander Berzin
- Bön-Bibliographie auch Deutsch (himalayanart.org)
- Ligmincha Deutschland (Schüler von Tenzin Wangyal Rinpoche in Deutschland)
- Bön-Geschichte
- Vajranatha - Übersetzer von Bön Texten zusammen mit Lopön Tenzin Namdak Rinpoche (englisch)
- Cataloguing Canonical Texts of the Tibetan Bon Religion
- Bön und der frühe Buddhismus in Tibet
- Konferenz der University of London 2011 zu „Bon, Shangshung, and Early Tibet“ (englisch)
- Quelle: wikipedia