Bundeswehr will Häuserkampf auch für Inlandseinsätze trainieren
Die Bundesregierung investiert dafür 100 Millionen Euro für den Bau einer Phantomstadt
Die Bundeswehr hat großes vor: Auf einer Fläche von mehr als sechs
Quadratkilometern soll für 100 Millionen Euro die Stadt Schnöggersburg
entstehen - mit allem, was zu einer modernen Stadt dazugehört. Eine
Altstadt mit Bahnhof gehört ebenso dazu wie eine Hochhaussiedlung und
ein Industrieviertel. Sogar an ein Elendsquartier hat die Bundeswehr
gedacht. Um die Realität möglichst nah abzubilden, bekommt
Schnöggersburg zudem einen 1,5 Kilometer langen Fluss, Autobahn und
Straßen. Auch eine U-Bahn soll gebaut werden. Die Stadt, in der es auch ein politisches und ein kulturelles Zentrum
geben wird, ist Teil des Gefechtsübungszentrums, das die Bundeswehr in
der Altmark betreibt. Das Ziel ist die möglichst realitätsnahe
Vorbereitung der Soldaten auf ihre Einsätze.
Für die Linksfraktion im Bundestag ist die Ausstattung der
Übungsstadt ein Zeichen dafür, "dass hier für keine der derzeit
existierenden Einsatzgebiete geübt werden soll, sondern
Bundeswehrsoldaten auf neue Einsatzszenarien vorbereitet werden". Die
Linken wollten daher in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen, warum Kampfszenarien in modernen Städten geübt werden, obwohl dies nicht den bisherigen Einsatzgebieten entspricht.
In ihrer Antwort, die Telepolis vorliegt, begründet die Bundesregierung den Bau von Schnöggersburg mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien.
Ausdrücklich schreibt die Regierung, dass demnach auch der
"Heimatschutz, d.h. Verteidigungsaufgaben auf deutschem Hoheitsgebiet
sowie Amtshilfe in Fällen von Naturkatastrophen und schweren
Unglücksfällen, zum Schutz kritischer Infrastruktur und bei innerem
Notstand" zu den Aufgaben der Bundeswehr gehört. Daraus leite sich "für
die Streitkräfte die Notwendigkeit eines breiten Fähigkeitsspektrums mit
Durchsetzungsfähigkeit im gesamten Aufgaben- und Intensitätsspektrum
ab". Dies schließe auch den "Kampf in urbanen Räumen" mit ein. In die
Entscheidung über die künftigen Übungsszenarien werde der Bundestag
nicht "unmitttelbar" einbezogen, kündigt die Bundesregierung an.
Gemeinsame Übungen zwischen Militär und deutschen oder europäischen
Polizeieinheiten sowie Übungen im Rahmen der zivil-militärischen
Zusammenarbeit seien "derzeit" jedoch nicht geplant, so die Regierung.
Inge Höger,
die Abrüstungspolitische Sprecherin der Linkspartei sieht den "Urbanen
Ballungsraum Schnöggersburg", wie die Bundeswehr ihre Übungsstadt nennt,
kritisch. Dort könne künftig der Bundeswehreinsatz im Inneren geübt
werden, den die Verfassungsrichter erst Mitte August ermöglicht hätten.
"Hier werden am Bundestag vorbei neue bedenkliche Einsatzszenarien für
die Bundeswehr etabliert und die Trennung der Aufgaben von Militär und
Polizei immer weiter aufgeweicht", so Höger. Sie fordert gemeinsam mit
ihrer Fraktion, das Gefechtsübungszentrum zu schließen und die Gelder
stattdessen in eine zivile Entwicklung der Region und eine rein zivile
Außenpolitik zu investieren.
Gegen den Bau der Phantomstadt regt sich bereits Widerstand:
Aktivisten rufen dazu auf, vom 12.-17. September in einem
internationalen Camp bei Hillersleben gegen das Bauvorhaben zu protestieren.
Silvio Duwe
Quelle: heise.de