Als Vision (von lateinisch visio
„Erscheinung, Anblick“) bezeichnet man im religiösen Sinne ein
subjektives bildhaftes Erleben von etwas sinnlich nicht Wahrnehmbarem,
das aber dem Erlebenden (dem Visionär) als real erscheint und von ihm
auf die Einwirkung einer jenseitigen Macht zurückgeführt wird.
Zusätzlich treten oft Höreindrücke (meist als gesprochene Worte) auf.
Mitunter erhält der Visionär auch Eindrücke, die von anderen
Sinnesorganen zu stammen scheinen. Wenn es sich um ein reines Hörerleben
handelt, spricht man in der Religionswissenschaft von Audition (von
lateinisch audire „hören“), aber im umgangssprachlichen Sprachgebrauch
wird der Unterschied zwischen bildlosen inneren Wahrnehmungen und
bildhaften Erlebnissen kaum berücksichtigt.
Im religiösen
Kontext wird eine Vision, wenn sie als „echt“ (also nicht als
Halluzination) betrachtet wird, auf einen realen äußeren Verursacher
zurückgeführt. Dabei handelt es sich bei positiver Interpretation des
Erlebnisses um eine Gottheit oder eine im Namen der Gottheit handelnde
Instanz (beispielsweise einen Engel oder Heiligen), bei negativer
Interpretation um einen Dämon oder Teufel. Man nimmt an, der Urheber der
Vision wolle auf diesem Wege dem Visionär und über ihn auch einem
bestimmten Personenkreis oder der Menschheit eine Mitteilung zukommen
lassen. Eine solche religiöse Deutung eines Visionserlebnisses wird oft
damit begründet, dass in der Vision eine Botschaft übermittelt worden
sei, deren außergewöhnlicher und außerordentlich beeindruckender Inhalt
den Wissensstand und Alltagshorizont des Visionärs übersteige und kaum
auf normale Weise erklärbar sei, was für die Authentizität spreche.
Außerdem beschreiben Visionäre die Art der Wahrnehmung während der
Vision als so mitreißend, ergreifend und erschütternd, dass aus ihrer
Sicht als Urheber nur eine Macht mit übermenschlichen Fähigkeiten in
Betracht kommt.
Berichte über Visionen dienen oft der
Legitimierung oder Bestätigung religiöser Weltbilder oder der
Beglaubigung und Bekräftigung einzelner religiöser Lehraussagen und
Anweisungen. Skeptiker und Gegner dieser Weltbilder halten die Visionen
für krankhafte Sinnestäuschungen, Wahnbilder oder Erfindungen zum Zweck
vorsätzlicher Täuschung.
Begriff und Begriffsgeschichte Der
Begriff visio war im Mittelalter in der lateinischen hagiographischen
Literatur (Lebensbeschreibungen von Heiligen) geläufig und es gab auch
eine Visionsliteratur als eigene literarische Gattung. Im frühen 14.
Jahrhundert wurde das Wort aus der (mittel)lateinischen Sprache ins
Deutsche übernommen. Teils wurde es eingedeutscht (visiôn, visiûn,
visiûne), teils beließ man es in seiner ursprünglichen Form als visio
und deklinierte es auch in deutschen Texten lateinisch, was bis Ende des
17. Jahrhunderts vorkam. Der älteste Beleg für Eindeutschung findet
sich bei Meister Eckhart († 1327/1328).
Da in der Frühen Neuzeit
die Zahl der grundsätzlichen Skeptiker und Gegner stark zunahm, erhielt
der Begriff Vision auch die Konnotation „Trugbild“, „Wahnbild“,
„(Fieber-)Traumbild“, „Phantasievorstellung“, „Einbildung“. Ein
deutsches Synonym war „Gesicht“ (Plural „Gesichte“, im Sinne von
„Gesehenes“).
Wegen des Zukunftsbezugs vieler Visionen erhielt
der Begriff außerhalb religiöser Zusammenhänge die Bedeutung
„Zukunftsvorstellung“ im Sinne von „Wunschvorstellung“ (seltener
„Befürchtung“). Man spricht von „Zukunftsvisionen“. Gemeint sind meist
kühne, in manchen Fällen phantastisch wirkende Konzepte, Entwürfe und
Ideale, deren Verwirklichung geplant wird und die in dafür empfänglichen
Kreisen Begeisterung auslösen.
Der Ausdruck „Visionär“ wurde
ebenso wie auch das zugehörige Adjektiv „visionär“ aus dem Französischen
(visionnaire) ins Deutsche übernommen. Das Wort wurde im 18.
Jahrhundert eingedeutscht. Dabei war von Anfang an die Konnotation
„Träumer“, „Schwärmer“, „Phantast“ präsent. Heute wird der Begriff oft
nichtreligiös zur Bezeichnung von Personen verwendet, die – etwa als
Politiker oder Erfinder – mutige, bahnbrechende Ideen formulieren und
verwirklichen.
Visionsarten Eine
Vision kann auch im Traum empfangen werden, dann spricht man von einer
Traumvision. Deren Unterscheidung von gewöhnlichen Träumen wird im
religiösen Kontext analog der Unterscheidung zwischen Wachvisionen
(Visionen im Wachzustand) und Halluzinationen vorgenommen.
Eine
Sonderform der Vision stellt die Offenbarung dar. Bei einem visionären
Offenbarungserlebnis meint der Visionär eine Botschaft zu empfangen, mit
der göttliche Wahrheit enthüllt wird, meist mit der Anweisung sie zu
verkünden. Bei manchen Visionen glaubt der Visionär, vergangene,
künftige oder räumlich entfernte Ereignisse optisch und akustisch
wahrzunehmen, als würden sie sich in seiner Gegenwart abspielen. Wenn
der Anspruch erhoben wird, in der Vision werde etwas Zukünftiges
enthüllt, handelt es sich um eine prophetische (seherische) Vision, die
verbal als Weissagung Ausdruck findet. Von gewöhnlicher Wahrsagung
unterscheidet sich die Weissagung durch das spezifisch religiöse
Anliegen, das den Kern der Botschaft ausmacht; es geht dabei nicht nur
um Einzelschicksale, sondern um die ganze Menschheit oder bestimmte
Völker.
In der Regel ist von einer Vision nur eine Person, der
Visionär, unmittelbar betroffen, alle anderen haben keinen direkten
Zugang zu dem Erlebnis. In manchen Fällen behaupten aber ganze Gruppen,
die bildlichen Phänomene der Vision gleichzeitig wahrgenommen zu haben.
Erforschung Da
es sich bei religiösen Visionen um subjektive Erlebnisse handelt, die
ausschließlich aus den nachträglich gegebenen Beschreibungen der
Visionäre bekannt sind, entziehen sie sich weitgehend einer
naturwissenschaftlichen Untersuchung. Möglich ist allerdings ein
Vergleich der beschriebenen Erlebnisse und begleitender körperlicher und
mentaler Symptome mit optischen und akustischen Wahnvorstellungen
psychisch Erkrankter und mit Phänomenen bei vorsätzlich erzeugten
Ausnahmezuständen (Rausch, Ekstase). Auf solchen Vergleichen fußen
Deutungsversuche aus medizinischer und psychologischer Sicht. Vertreter
einer religiösen Interpretation der Visionen halten dem entgegen,
allfällige Ähnlichkeiten seien nur scheinbar oder äußerlich und es
handle sich in Wirklichkeit um Unvergleichbares, da bei den Visionären
keine psychische Erkrankung vorliege.
Als sehr verbreitete
kulturgeschichtliche Phänomene sind Visionen und ihre traditionellen
religiösen Deutungen ein bedeutender Gegenstand
religionswissenschaftlicher, ethnologischer, historischer und nicht
zuletzt auch literaturgeschichtlicher Forschung. Historiker fragen
insbesondere, inwieweit religiöse oder auch politische Vorstellungen,
Wünsche, Befürchtungen und Ziele der Visionäre und ihres Umfelds die
überlieferten Darstellungen und Deutungen der Visionserlebnisse
beeinflusst haben. Sie untersuchen auch, wie Visionen für politische und
religiöse Zwecke instrumentalisiert wurden.
Nach C. G. Jung können Inhalte visionärer Erfahrung als Archetypen gedeutet werden.
Hinduismus Der
Begriff des Rishi hat im Hinduismus eine große Bedeutung. Ein Rishi ist
ein Seher, Heiliger und Yogi, dem in einer göttlichen Vision Wahrheiten
geoffenbart werden. So sollen die heiligen Schriften des Hinduismus,
die Veden den Rishis in der Zeit von 1200 bis 500 v. Chr. geoffenbart
worden sein.
Bibel In verschiedenen
Büchern der Bibel wird von Visionen berichtet, z. B. im Buch Daniel (Dan
7–12 EU), im Matthäusevangelium (Mt 2,13 EU) und in der Offenbarung des
Johannes (Offb EU).
Bekannte christliche Visionäre und
Visionärinnen waren Baba Wanga, Bernadette Soubirous, Dominikus, Gertrud
von Helfta, Hildegard von Bingen, Julian von Norwich, Juliana von
Lüttich, Lutgard von Tongern, Margareta Maria Alacoque, Mirjam von
Abelin und Katharina von Siena. Zu den bekanntesten christlichen
Visionen gehören die Marienerscheinungen.
Auszüge von Wikipedia (
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